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Kommt ihr wieder zurück?

«Mein Name ist Ciprian, ich bin 19 Jahre alt und wohne in Elisabethstadt in Rumänien. Grossgeworden bin ich bei meinen Grosseltern, meine Eltern wohnen schon lange in Schweden. Wenn ich mit der Schule fertig bin, will ich nach Deutschland Informatik studieren. Ich erhoffe mir dort ein besseres Leben. Freiwillig zurück kommen, nein Danke.»

Solche oder ähnliche Geschichten haben wir oft gehört. In nahezu perfektem Englisch versteht sich. Viele wollen weg, lieber früher als später. Es gibt kaum Arbeit und wenn dann für einen Lohn von 300-400€.  Dies reicht auch hier nicht allzu weit, vor allem wenn man keine Verwandte im Ausland hat, die ab und zu Geld senden. Die Nahrungsmittel kosten ähnlich viel wie in Deutschland, importierte Markenprodukte oder Benzin ebenfalls. Rumänien gehört nach Syrien zu den Ländern mit der grössten Auswanderungsrate. Von ehemals 20 Millionen Einwohnern wohnen 5 Millionen im Ausland.

Viele sind noch mit Ross und Karren unterwegs

Viele sind noch mit Ross und Karren unterwegs

Stellt euch vor, in der Schweiz würde es ähnlich laufen. Wie schlimm müsste die Situation sein, bis ihr euch entscheidet, der Schweiz für immer und ewig den Rücken zu kehren? Die übrig gebliebenen Freunde und Familienmitglieder zu verlassen, und dies ohne mit der Wimper zu zucken?

Für uns als Touristen war längst nicht alles schlecht, also eigentlich war sogar alles super. Hier gab es doch noch ein paar Sachen, welche wir noch nicht zu oft gesehen haben. Die kleinen Supermärkte in den Dörfern sind zum Beispiel fast immer auch Cafes oder Bars. Draussen an den Tischen sitzen mit ein paar Ausnahmen ausschliesslich Männer. Dresscode: Oben ohne. Wir fragen uns, wo denn all die Frauen sind? Vielleicht verstecken sie sich zu Hause vor dem ganzen Schweissgeruch, wer weiss.

In Rumänien ist es zum ersten Mal vorgekommen, dass uns die Bewohner vor sich selber warnen. Wir sollen immer schön auf unsere Sachen aufpassen und niemanden vertrauen. Woher diese Angst wohl kommt? Wir haben uns bis jetzt in Osteuropa immer sicher gefühlt. Auch hier ist es nicht anders. Nur einmal werden wir angebettelt und dies mitten in einer Touristenstadt. Definitiv nichts Ungewöhnliches. Ich meine, wer schafft es einen ganzen Tag durch Bern zu laufen ohne einmal angepumpt zu werden?

Was uns auch aufgefallen ist, praktisch jedes Dorf hat eine eigene Storchenfamilie. Auf den Stromleitungsmasten sind extra grosse Körbe angebracht, auf denen die Störche ihr Nest bauen können. Schön für uns, denn manchmal können wir einen Blick auf die kleinen flauschigen Baby-Störche werfen. Die Störche scheinen sich hier jedenfalls wohl zu fühlen, sie kehren nämlich immer wieder zurück…

Eine der vielen Storchenfamilien

Eine der vielen Storchenfamilien

Schaltet noch nicht aus, es folgen noch ein paar Bilder und ein Video

Rumänien, wir müssen reden

Als keine Vorwarnung für zart besaitete, in diesem Bericht geht’s um Roadkill, plump übersetzt um Tiere welche überfahren wurden und am Strassenrand/auf der Strasse liegen.

Das einzige überfahrene Tier, an welches ich mich noch gut erinnern kann, ist eine Katze. Diese sah ich über mehrere Tage immer wieder, nämlich auf dem Schulweg nach Gurmels. Eines morgens war sie plötzlich da, noch ganz frisch. Am nächsten Tag war sie tiefgefroren, am übernächsten wieder halb aufgetaut. Und so weiter, bis sie dann endlich mal jemand weggeräumt hat. Das war so zirka 2001. Seitdem sind viele Jahre vergangen und viele tote Tiere hinzugekommen. Von ganz kleinen, wie Raupen oder Schlagen über Mäuse, Marder, Biber zu den grösseren wie Katzen, Hunde, Wildschweine und Stachelschweine. Das grösste bisher war ein Moose (sowas wie ein Elch) in Alaska. Das war mitten in der Wildnis. Kein Wunder hat dies niemand weggeräumt. Wozu auch?

Meistens werden die Tiere zuerst durch den Geruch angekündigt. Dieser ist ganz unverkennbar. Einmal gerochen, nie mehr vergessen. Besonders intensiv wars beim Stinktier. Hier wars schon ziemlich lange vorher klar, dass da was kommt. Hinter der nächsten Kurve wars dann soweit. Wir versuchten unseren Atem anzuhalten, so lange es ging. Und dann wars zum Glück auch schon wieder vorbei. Aber ich schweife ab. Wir sind jetzt in Rumänien und da gibt es meines Wissens keine Moose und auch keine Stinktiere. Normalerweise liegen hier Katzen oder Hunde rum, das übliche halt. Aber neulich lag doch da wirklich ein Pferd im Strassengraben. Ein Pferd!!! Ich meine, klar, dass kann hier schon mal passieren. Es sind relativ viele Leute mit Pferd und Wagen unterwegs. Aber trotzdem. WTF??? Es sah nämlich auch nicht so aus, als wäre es erst ein paar Stunden dort. Eher ein paar Tage oder sogar Wochen. Und es war auch nicht irgendwo im nirgendwo, sondern mitten in einem grösseren Dorf. Klar, ich verstehe, dass so ein Pferd nicht gerade ein Leichtgewicht ist, aber irgendjemand wird doch wohl einen Baukran oder was Ähnliches rumstehen haben um das arme Tier wegräumen zu können. In der Schweiz wäre so etwas nicht passiert. Da wird immer gleich alles weggeräumt, bis auf die Katze anno 2001.

Auf den fotografischen Beweis haben wir aus Pietätsgründen verzichtet. Und glaubt mir, es reicht, dass dieses Bild in unseren Köpfen eingebrannt ist:

Diese Kuh könnte überfahren worden sein, muss aber nicht

Diese Kuh könnte überfahren worden sein, muss aber nicht

Übrigens: falls dich ein Thema besonders interessiert, dann darfst du dies gerne in den Kommentaren oder via Kontaktformular mitteilen. Wir nehmen uns gerne die Zeit, ein paar Zeilen dazu zu schreiben!

Unbeliebtes Reiseziel am Rande Europas

Dieses Mal gehen wir es so richtig langsam an, das haben wir uns ganz fest vorgenommen. Deshalb fahren wir mit dem Zug von Sofia bis Bukarest. Das klappt eigentlich ganz gut, ausser dass sich die Frau am Schalter in Bulgarien und der Ticketkontrolleur von Rumänien nicht ganz einig sind über die Tickets für die Velos. Die Frau meint nämlich, der Fahrradtransport sei gratis, der Mann sieht das anders. Gemäss ihm müssen wir eins kaufen und zwar in rumänischen Lei, nicht in bulgarischen Leu. Nach langem hin und her bezahlen wir dann doch, aber erst müssen wir noch in die nächste Wechselstube rennen... Zum Glück fährt der Zug noch nicht ab. Wir kriegen sogar ein Ticket, also wars vermutlich einigermassen offiziell und nicht für die eigene Tasche, wie wir erst vermutet hatten.

Ankunft am Bahnhof Bukarest

Ankunft am Bahnhof Bukarest

Nach ein paar Tagen Sightseeing in Bukarest und dem Besuch im Unispital ist jetzt klar, dem Knie geht’s wieder gut. Also entscheiden wir uns in Richtung Moldau (oder Moldawien) loszuziehen. Zuerst nur mal ein paar Kilometer durch die Stadt bis zum nächsten Bahnhof. Dieser ist nur knapp 20 km entfernt. Bis dahin sieht das ganze Vorhaben recht vielversprechend aus. Das Knie macht jedenfalls mit. Nur der Bahnhof ist etwas ungewohnt. Die Perrons sind nämlich nicht angeschrieben, obwohl es mindestens sechs Geleise hat. Auch eine Rampe oder ein Aufzug sind weit und breit nicht zu sehen. Wir hieven die Velos zu zweit aufs Perron und erwischen dann doch den richtigen Zug.

Das zweitgrösste Amtsgebäude der Welt - nach dem Pentagon - wurde während dem Kommunismus errichtet

Das zweitgrösste Amtsgebäude der Welt - nach dem Pentagon - wurde während dem Kommunismus errichtet

Am anderen Ende von Rumänien angekommen, erwartet uns unser Host Ciprian. Er freut sich sehr, endlich wieder mal auf dem Rad zu sitzen und das sogar mit Gesellschaft. Am nächsten Tag zeigt er uns die Stadt und fährt mit uns bis in den nächsten Ort. Leider war er etwas übermotiviert. Allein die Stadtrundfahrt umfasste fast 20 Kilometer. Am Ende des Tages waren wir schon bei über 50 km, was doch etwas zu viel war. Wieso habe ich nicht nein gesagt, ärgert sich Sandra später. Aber im Nachhinein ist man oder frau halt immer schlauer. Im Laufe des nächsten Tages kommts wie es kommen muss, die Schmerzen sind zurück und an ein Weiterfahren ist nicht mehr zu denken. Nur mit dem Problem, dass es hier keinen Zug gibt und die Busse zu klein sind um unsere Räder mitzunehmen. Wohl oder übel fahren wir weiter. Adeline hat sich anerboten einen Teil des Gepäcks zu transportieren. So geht’s einigermassen. Wir schaffen es jedenfalls noch bis über die Grenze nach Rosu in Moldau. Zum Glück, den am nächsten Tag ist Adelines Geburtstag. An diesem Tag wollten wir einen Ruhetag einlegen. Costia, unser neuer Host, hilft mit etwas auszuhecken. Anja, eine ehemalige Volontärin, backt einen Kuchen als Überraschung. Auf die Frage von Adeline ob sie am backen sei, antwortet sie ganz schlagfertig mit einem klaren «ja» und die Sache wird nicht weiter hinterfragt. Also ists dann tatsächlich eine kleine Überraschung als Sandra mit Kerzen auf dem Kuchen auftaucht und wir alle gemeinsam singen.

Noch mehr beladen als sonst...

Noch mehr beladen als sonst...

Bis in die Hauptstadt nach Kischinau sind es von hier immer noch etwa 160 km. Mit dem Fahrrad wird das nichts. Im Bus mitnehmen wird vermutlich auch schwierig. So entscheiden wir uns den Bus zu nehmen und die Räder hier zu lassen. Die Hauptstadt ist schnell besichtigt, also wagen wir einen Ausflug zum vielversprechenden autonomen, aber nirgendwo anerkannten «Land» Transnistrien. Mit dem Bus dauert die Fahrt auch nicht lange, nur knappe zwei Stunden. Am Grenzposten werden wir angehalten und es gibt ein «Visum» in den Pass. Dieses besteht aus einem Blatt Papier auf welchem die Gültigkeit gedruckt ist. Das wars auch schon. Für uns irgendwie interessant, für die Leute welche die Busfahrt öfters machen, wohl eher mühsam. In Tiraspol angekommen, machen wir uns auf Erkundungstour durch die noch sehr kommunistisch wirkende Stadt. Da Sonntag ist, ist nichts los, aber auch gar nichts. Nirgendwo sehen wir ein Cafe oder eine Beiz welche zum Verweilen eingeladen hätte. Zum Glück stand da ja was im Lonely Planet. Dieses Restaurant ist sogar offen und zum Zmittag gibt’s Borschtsch nach ukrainischer Art. Irgendwo sehen wir dann noch eine Leninstatue und haufenweise Plattenbauten. Und schon ists vorbei mit dem ganzen Zauber. Da der Tag noch jung ist, fahren wir mit dem Linienbus ins Nachbardorf Bender, da gibt es immerhin ein sehenswertes Fort. So war der Ausflug doch nicht ganz für die Katz.

Die Burg von Bender in Transnistrien

Die Burg von Bender in Transnistrien

Moldau ist auch bekannt für seinen Wein. Wir lassen es uns nicht nehmen an einer Führung mit Degustation teilzunehmen. Mit Elektrozügli geht’s ab in den Untergrund. Der Keller befindet sich nämlich in einer ehemaligen Kalksteinmine. Die unterirdischen Strassen sind ganze 120 km lang. Schon ziemlich eindrücklich. Auf der Tour lernen wir Jamie kennen. Er macht uns das Angebot, ihn nach Orheiul Vechi zu begleiten. Er ist nämlich mit dem Taxi da. Diesen Vorschlag können wir fast nicht abschlagen. Sonst hätten wir nämlich eine ziemliche Sehenswürdigkeit verpasst. Die Klosteranlage ist schön gelegen und ziemlich ab vom Schuss. Hierhin zufahren hat sich definitiv gelohnt! Zurück in Kischinau gibt’s das obligate Gestürm mit dem Taxichauffeur wegen des Preises. Jamie hat diesen leider nicht vorgängig mit ihm festgelegt. Jetzt will der Fahrer plötzlich 100 € haben. Die Frau des Hotels wird jetzt auch sauer. Schlussendlich einigen sie sich auf 75 €. Immerhin. Wir beteiligen uns natürlich auch, schliesslich haben wir uns auch von der Taxifahrt profitieren können.

In Orheiul Vechi

In Orheiul Vechi

Schlussendlich schaffen wirs gerade noch so auf den letzten Bus nach Rosu. Sandra hat nämlich nochmals eine weitere Pause vom Arzt verordnet bekommen, dieses Mal drei Wochen. Zwei davon verbringen wir bei Costia und helfen ihm in seinem Permakultur Garten. So lernen wir wenigstens noch etwas, wenn wir schon nicht aufs Rad dürfen. Die zwei Wochen gehen zu schnell vorbei. In dieser Zeit haben wir viel über das Leben Moldawien gelernt, die Katze Lisa hat Nachwuchs gekriegt und die Kirschen sind reif geworden. Davon nehmen wir uns noch eine grosse Flasche voll mit.