Eine Ode an die Gastfreundschaft

Wenn das Wetter umschlägt, es früh eindunkelt und die Campingplätze langsam aber sicher geschlossen sind, dann suchen wir unsere Schlafmöglichkeiten oft über die Plattformen Couchsurfing und Warmshowers. Ab Südfrankreich bis in die Schweiz kommen wir auf diese Art fast immer zu einem trockenen Plätzchen. Es macht Spass sich mit Reisenden über vergangene Trips auszutauschen, Daheimgebliebene zu inspirieren oder ganz einfach zusammen zu essen und über Dieses & Jenes zu diskutieren.

Unsere Velos dürfen jeweils auch in Sicherheit übernachten

Unsere Velos dürfen jeweils auch in Sicherheit übernachten

Manchmal schlafen wir auf dem Sofa, manchmal im Bett unserer Gastgeber, manchmal am Boden, manchmal in der Küche, manchmal im Wohnzimmer und manchmal haben wir ein Zimmer ganz für uns. Was alle gemeinsam haben, ist, dass sie uns aufnahmen, als ob wir Freunde wären. Uns wird ein Schlüssel in die Hand gedrückt, die Küche zur Verfügung gestellt und ein frisches Badetuch gereicht. Alles Dinge, die wir sehr zu schätzen wissen. Mit den meisten hat es geklappt entweder essen zu gehen, für sie zu kochen oder was zu trinken. Bei einer Dame hat es zwar mit der Übernachtung nicht geklappt, dafür hat sie uns an ein «Festival de Folk» eingeladen. Wer hätte gedacht, dass wir einmal zu Französischem Folk das Tanzbein schwingen?

Die Hosts von Grenoble drücken uns bei ihrem Büro den Hausschlüssel und den Wegbeschrieb bis zu ihnen in die Hände

Die Hosts von Grenoble drücken uns bei ihrem Büro den Hausschlüssel und den Wegbeschrieb bis zu ihnen in die Hände

Unsere Hosts waren sehr unterschiedlich und hatten immer viel Interessantes zu erzählen. Marcel nimmt gerne an Ultra Rennen teil, also so schnell wie möglich eine unglaublich grosse Distanz überwinden. Lucian ist ein Teenager, aber doch hilft er in seiner Freizeit bereits mit, lokale Wanderwege zu beschildern. Kristiina ist gerade daran eine Online Währung einzuführen. Stefan ist ein ultimativer Velofreak und nimmt unsere Flitzer genau unter die Lupe und repariert diese sogar. Dies sind nur ein paar Beispiele auf was für Leute wir unterwegs getroffen sind. Es hat jedenfalls immer Spass gemacht, sich mit diesen Menschen zu unterhalten und sich inspirieren zu lassen.

Hoffentlich haben auch wir ein paar von euch inspiriert sich auf der einen oder anderen Plattform anzumelden und Reisende bei sich aufzunehmen. Es war für uns jedes Mal ein Erlebnis und wir sind immer mit vielen neuen Ideen weitergezogen.

Herzlichen Dank an alle, es war uns ein Vergnügen!

Vorher - Nachher :-)

Vorher - Nachher :-)

Wenns obe schifft und unde seicht, sisch guets Valser Wasser

Um zu testen ob wir nun wirklich, wirklich noch fit sind, entscheiden wir uns durch die Pyrenäen zu fahren. Die erste Kostprobe gibt es, als wir von Frankreich an der Küste entlang nach Spanien fahren. Fast oben auf dem kleinen Pass überholen wir eine andere Radfahrerin, welche auch ziemlich beladen ist. Sie schiebt das Velo zu diesem Zeitpunkt und ruft uns ein «Bravo» zu. Aber eigentlich hat sie das «Bravo» verdient. Sie ist nämlich im Minirock und Plateau-Stöckelschuhen unterwegs. Hat so schon mal jemand ein Rad mehrere Kilometer in der Pampa hochgeschoben? Wir müssen lachen und rätseln, in welchem Business die Dame wohl tätig ist.

Oben auf dem Hoger

Oben auf dem Hoger

In Donostia/San Sebastian angekommen, treffen wir unsere Freundin Nadine. Um unsere Energiespeicher wieder so richtig zu füllen, verbringen wir die Tage mit dem Essen der traditionellen baskischen belegten Brötchen (Pintxos) und dem passenden Vino oder Cerveza. Anscheinend werden in jedem Restaurant der Wahl nur 2-3 Brötchen gegessen und dazu ein Glas getrunken, danach geht’s in die nächste Beiz. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Nadine hat auch keine Mühe gescheut und für uns Raclette inkl. Kerzli-Öfeli mitgeschleppt. Dieses geniessen wir oben bei der spanischen Version vom «Monte Christo» mit super Aussicht auf die Stadt.

Da braucht es schon mindestens zwei Personen um zu schauen ob der Käse gut schmilzt

Da braucht es schon mindestens zwei Personen um zu schauen ob der Käse gut schmilzt

Nun sind wir bereit für die zweite Runde Pyrenäen. Adeline hat Stunden damit verbracht um die richtige Passwahl zu treffen. Die Entscheidung fällt auf den Coll de la Creueta und den Col de Creu. Ersterer bringt uns bis auf 1888 Meter. Nur gibt es oben nicht mal ein Schild für das Beweisfoto! Skandal! Naja, gesehen hätte man darauf sowieso nicht allzu viel. Die Sicht ist nämlich schlecht und natürlich regnet es. Immerhin gibt es auf den Nachbarhügel eine Bergbeiz. Hier kriegen wir eine heisse Schoggi aus dem Glas, aber in der Mikrowelle für uns aufgewärmt. Wir wollen uns trotzdem nicht beklagen. Bei nur 4.5 Grad tuts trotzdem gut.

Coll de la Creueta, geschafft!

Coll de la Creueta, geschafft!

Der Aufstieg auf den Col de Creu ist sehr dankbar. Es sind nämlich am Schluss nur noch etwa 200 Höhenmeter, der Rest war auf die Strecke verteilt. Oben angekommen regnet es zwar nicht, da wir aber im Wald sind, gibt es auch hier keine Aussicht zu geniessen… Die anschliessende Abfahrt ist super, nämlich 1600 Höhenmeter Downhill über ungefähr 30 Kilometer verteilt. Der einzige Wehrmutstropfen, als wir mit der Abfahrt beginnen, fängt es an zu regnen und will und will einfach nicht mehr aufhören. Wir geniessen es trotzdem und freuen uns, dass wir Abends unser Zelt in einem Unterstand auf dem Camping aufstellen können und so immerhin bis am Morgen trocken bleiben.

« Vous êtes bien chargées »

Diesen Satz hören wir in Nordfrankreich mindestens einmal am Tag. Manchmal sogar noch vor «Bonjour». Die meisten meinen es vermutlich nicht böse und teilen uns einfach ihre Feststellung mit. Und recht haben sie ja schliesslich auch. Im Vergleich zu den meisten anderen Radtouristen welche hier unterwegs sind, sind wir wirklich «bien chargées».

Ein Velofahrer, den wir getroffen haben, kann sich fast nicht mehr erholen: «Mais vraiment??? Mais vous avez pris quoi??!!!» Er selber ist unterwegs in die Mongolei, also nach dem er den Winter irgendwo in Spanien verbringen wird. Sein Decathlon Fahrrad ist mit drei kleinen Taschen beladen, oben drauf ein dünner Sommerschlafsack und ein Zelt. Ist ja schon schön so richtig leicht unterwegs zu sein. Hat vermutlich etwas Befreiendes, da bin ich mir ganz sicher. Und trotzdem finden wir «c’est pas tes onions!», nach all dieser Zeit müssen wir uns doch nicht für unser Gepäck entschuldigen, oder?

Zugegeben: von ultralight sind wir weit entfernt. Trotzdem haben wir schon ein paar Kilometer auf dem Buckel

Zugegeben: von ultralight sind wir weit entfernt. Trotzdem haben wir schon ein paar Kilometer auf dem Buckel

Tauschen möchte ich sowieso nicht. Wenn es kalt ist draussen, kuschle ich mich gerne in meinen riesigen Schlafsack, der auch bei -10 Grad noch warm gibt. Wenn meine Kleider nach der Handwäsche bis zum nächsten Tag nicht trocken wurden, ziehe ich mir gerne etwas Frisches aus meinem übergrossen Kleidersack an. Wenn ich zum Nachtessen ins Restaurant will, dann nicht unbedingt in der gepolsterten Radlerhose und dem Shirt mit dem Salzrand, welches schon total verschwitzt ist. Und wenn mein Rad einen Platten hat, wechsle ich einfach den Schlauch und flicke das Loch am Abend. Kleine Dinge würde man meinen, welche aber aus meiner Sicht einen riesen Unterschied im Wohlbefinden ausmachen können. Da bin ich ganz gerne «bien chargée»!

Die E-Bikes sind los!

Flussradwege ziehen viele Touristen an, so auch an der Elbe, dem Main und dem Rhein. Was auffällt ist, dass wir praktisch die einzigen sind, welche mit einem «normalen» Velo unterwegs sind. Am Mainradweg flitzen jede Menge E-Bikes an uns vorbei. Alle mit einer Ortlieb oder Vaude-Tasche ausgestattet. Die Bikes glänzen in der Sonne. Vermutlich wird am Samstag neuerdings das E-Bike gewaschen und nicht mehr das Auto. Es sind nicht nur ältere Semester so unterwegs, die E-Geschichte zieht sich durch alle Altersschichten. Wir sehen einmal sogar Kinder mit den unterstützten Bikes.

Ein bisschen eifersüchtig sind wir ehrlich gesagt manchmal schon, aber dann doch nur manchmal. Schliesslich ist hier alles mehr oder weniger flach und wo genau sollten wir den Akku denn auch aufladen? Naja, natürlich sind ein paar Städtchen und Dörfer auch hier sehr modern. So gibt es teilweise Ladestationen an welchen die ganzen Akkus eingesteckt werden können, während dessen kann man an der Eisdiele nebenan mal gemütlich einen «Dschelato» geniessen. Wieso auch nicht, der Bedarf scheint jedenfalls da zu sein.

Je näher wir an Frankfurt kommen, desto anders sieht die Welt aus. Hier sind E-Bikes eher eine Seltenheit und wir fühlen uns nicht mehr so alleine gelassen mit unseren Old School Rädern. Die Business Leute rasen ganz casual mit ihren «Stadtgöppeln» zum Arbeitsplatz, dies ganz ohne Antrieb. So geht’s also auch immer noch.

Business Leute mit dem Rad in Frankfurt

Business Leute mit dem Rad in Frankfurt

Woher diese merkbaren Unterschiede kommen, finden wir nicht heraus. Wir sind nur froh, dass es ausser uns noch ein paar andere gibt, welche ganz auf Muskelkraft setzen. Und den leeren Akku tanken wir lieber mit leckerem deutschem Brot als mit Strom.

Schaut euch noch unsere Bilder und das kurze Video an… bis bald!

Das kleine Balkan-ABC

A wie Arbeit

Klischees sind lustig, weil meistens etwas Wahres dabei ist. So beobachten wir nicht selten eine schwer arbeitende Person umringt von 4-5 Zuschauern.

B wie Burek

Traditionelles Gebäck aus Blätterteig, mit Fleischfüllung, Spinat oder Frischkäse. Findet man fast in jedem Land der Balkanhalbinsel. Ist super lecker, nur leider nicht die ideale Sportlernahrung.

Seehr seeehr lecker

Seehr seeehr lecker

C wie Cevapcici (oder Cevapi)

Hackfleischröllchen, welche gerne überall gegessen werden. Natürlich wird dir jeder sagen, dass diejenigen aus seinem Land die besten sind.

D wie Diebe

Wird man oft davor gewarnt, die Wahrscheinlichkeit das etwas gestohlen wird, ist in Barcelona an der Rambla wohl höher.

E wie Einkommen

Mit 250 bis 400 Euro monatliches Durchschnittseinkommen (Angaben ohne Gewähr) kommen viele ohne Unterstützung durch Familie im Ausland nicht über die Runden. Die Lebensmittelpreise beispielsweise sind nicht viel günstiger als in Deutschland, wenn man von frischen Nahrungsmitteln absieht.

F wie Flaaaisch

Am liebsten zu jeder Mahlzeit und so viel wie möglich. Vegetarier? Die haben’s hart…

G wie Gastfreundschaft

Schon peinlich, wie nett und grosszügig wir überall begrüsst wurden. In der Schweiz haben wir wohl Angst zu freundlich zu Fremden zu sein…sie könnten uns ja die Brieftasche klauen.

H wie Hunde

Oft als Streuner, manchmal als Wache anzutreffen. Ersterer ist viel angenehmer wenn auch nicht immer sehr gepflegt.

I wie Intellektuelle

Verlassen Ex-Jugoslawien um im Westen einen besser bezahlten Job und somit auch ein «besseres Leben» anzustreben.

J wie Jugoslawien

Viele Ältere trauern dem ehemaligen sozialistischen Staat nach, der ab 1991 Schritt für Schritt mit einem schrecklichen Kriegen zerfiel.

K wie Korruption

Ist allgegenwärtig. Will man im Krankenhaus in nützlicher Frist behandelt werden, muss man dem Arzt schon mal einen Schein zustecken. Will man die Korruption nicht unterstützen, dann wird die Behandlung eher oberflächlich oder man wartet laaange. Natürlich gilt dieses Vorgehen nur für Einheimische. Sandra als Spitalerprobte wurde jeweils unverzüglich behandelt.

L wie Littering

Schrecklich, schrecklich, schrecklich. Aber wir wollen ja nicht die Müllpolizei spielen. Bei den besser entwickelten Staaten gibt es zwar sogar eine Müllabfuhr. Verbrennungsanlage? Haben wir nie gesehen. Dafür haufenweise Müllberge die von den Lastern irgendwo in der Pampa neben unserer Radstrecke «deponiert» und dann ihrem Schicksal überlassen werden. Immerhin erfreuen sich die Strassenköter daran.

Solche Bilder sieht man nicht selten. Naja, die Hunde scheinen es zu mögen

Solche Bilder sieht man nicht selten. Naja, die Hunde scheinen es zu mögen

M wie Milošević

Ehemaliger Präsident Serbiens und später Jugoslawiens. Unter seiner Herrschaft wurden tausende von Menschen in Kroatien, Bosnien und im Kosovo verfolgt, gefoltert und getötet.

N wie Nachbarländer

Nicht alle sind mit ihren Nachbarn gut befreundet. Wir wurden auf unserer Reise oft gewarnt. In Griechenland vor den Mazedoniern, in Mazedonien vor den Bulgaren und Kosovaren, im Kosovo vor den Serben und in Rumänien vor sich selbst.

O wie Orthodox

Wer meint, dass die Katholiken klotzen, die sollen sich mal die orthodoxen Kirchen anschauen gehen. Überall wo man hinsieht glänzt es golden. Und wer am nächsten Montag nicht auf die Arbeit mag, kann sich ein paar Bazillen beim Ikonen-Abküss-Ritual gratis abholen.

P wie Patriarchat

Das Bild vieler kleineren Ortschaften wird von Männern dominiert. Sie sitzen auf der Bank vor dem Haus und schauen dem Treiben zu oder in der Kneipe nebenan. Am liebsten oben ohne. Es wird geraucht und Bier oder Rakija getrunken. Die Frauen trifft man höchstens an der Theke, auf dem Markt oder im Dorfladen an. Wir wurden schon ein paar Mal komisch angeschaut, als wir nach einem heissen Tag auf dem Rad ein Bier bestellen wollten. Zum Glück haben wir die Kommentare der Männer nicht verstanden.

R wie Rakija

Selbstgemachter Obstbrand wird zum Zmorge, Zmittag, Znacht und auch Zwischendurch in rohen Mengen getrunken.

S wie Strassenstrich

Aufgefallen ist es uns erst so richtig, als wir mal ein Auto in Bulgarien gemietet haben. Aufgebrezelte Frauen stehen bei einer Überlandstrasse am Strassenrand. Bei der ersten dachten wir noch, dass diese Autostopp macht. Aber dass diese dann gleich noch einen Plastikstuhl nebenan stehen hat und mitten in der Pampa wartet kam uns schon verdächtig vor.

T wie Tito

Wurde während der Jugoslawien-Ära als Präsident gemocht und wird auch noch heute geachtet.

U wie Universell

Kluge Köpfe z.B. aus Kroatien schreiben in ihren CV’s, dass sie fünf Sprachen beherrschen. Dass aber kroatisch, serbisch, montenegrinisch, bosnisch oder mazedonisch mehr oder weniger dieselbe Sprache ist muss ja keiner wissen.

V wie Vorurteil

Nur damit es mal gesagt ist: wir haben uns selten so sicher und herzlich willkommen wie in Osteuropa gefühlt. Also liebe Westler: man kann ruhig mal einen Urlaub in den Osten planen ohne Angst zu haben, noch gleich am Flughafen ausgeraubt zu werden.

W wie Wechselstube

Wenn das selbst erworbene Geld langsam ausgeht, sucht man die nächste Wechselstube auf und wechselt die Euros der Verwandten im Westen gegen die lokale Währung.

X wie Xylophon

Xylophone haben wir keines gesehen.

Y wie Yugo

Kleinauto aus dem ehemaligen Jugoslawien, welches immer noch oft zu sehen ist

Immer noch sehr beliebt, der gute alte Yugo

Immer noch sehr beliebt, der gute alte Yugo

Z wie Zigeuner

(das R wie Roma war schon besetzt). Vielleicht gibt es im Balkan kein organisiertes Recycling, weil dies von den Roma übernommen wird. Oft sieht man diese den Müll aussortieren. Sie fahren sogar mit Autos und Megafon durch die Städte und rufen z.B. zur Altmetallsammlung auf.