Jetzt geht’s los!

Am 8. Mai sollen wir also unser geliebtes zuhause verlassen. Der Abschied von Freunden und Familie fällt natürlich nicht leicht. Vor kurzem haben wir erst richtig realisiert, dass wir keinen Job und keinen Wohnsitz mehr haben werden. Es beginnt ein neuer Alltag.

Im ersten Moment kommt uns der Start vor wie eine kleine Velotour am Sonntagvormittag. Ein paar Kilometer pedalieren, damit wir am Nachmittag unser wohlverdientes Bierli ins Lago Lodge trinken gehen können. Doch diesmal ist es keine Rundtour. Wann, dann eher eine sehr grosse Runde.

Der Jura ist gemein, gleich am ersten Tag verlangt uns die Strecke schon viel ab. Trotzdem – der Jura ist und bleibt ein unheimlich schöner Fleck der Schweiz.

Ab Basel radeln wir erst dem Rhein auf der deutschen Seite entlang hoch bis nach Freiburg und wechseln dann ins Elsass, durch Colmar, Strassbourg und weiter bis nach Luxembourg. Danach geht es in Richtung Belgien. Wir besuchen auch da wunderschöne Flecken wie Dinant, Brügge oder Löwen. Brüssel würden wir eher nicht als wunderschön bezeichnen, dafür umso schöner, dass uns unsere Freundin Rahel übers Auffahrtwochenende besuchen kam.

Die Distanzen hier im Westen sind sehr klein zwischen den Ortschaften. Es gibt viel zu sehen und zu besuchen. Daher haben wir bisher eher kürzere Tagesdistanzen absolviert, damit wir Nachmittags jeweils noch etwas Sightseeing machen oder bei einer grösseren Stadt noch einen Zusatztag anhängen können. Wie sich das auf unsere Planung auswirkt werden wir noch sehen.

Bis Brüssel haben wir schon viel erlebt, sind tagtäglich etwas fitter geworden und haben nette Menschen kennengelernt. Sei es auf dem Land oder in der Grossstadt, bisher waren immer alle sehr freundlich zu uns und haben uns weitergeholfen, falls unser Bauchgefühl nicht der gleichen Meinung war wie das Navi.

Von «Viel Erfolg» über «Ihr seid aber mutig» und «Ig gloube nid dass dir das bis ans Nordkapp schaffend» haben wir auf alle Fälle schon alles gehört. Lassen wir uns überraschen ob der «Fährimaa vo Basel» recht behält oder ob wir Mitte Sommer unsere Füsse im kalten Meer beim Nordkapp baden!

Ich packe in meinen Koffer...

Wer sich auf eine längere Radreise vorbereiten will, der setzt sich auch frühzeitig mit dem Thema Material auseinander. Sogar wir als Last-Minute-Kofferpacker machen dies. Ist ja auch doof, wenn man 5 Tage nach dem Start merkt, dass das Kopfkissen wohl doch zu viel Platz frisst, oder die Herr der Ringe Hardcover Bücher-Kollektion etwas schwer ist um sie auf das Velo zu packen.

Also machen wir eine Liste. Die Liste ist lang und enthält alles, was uns wichtig erscheint (also persönlich, nicht allgemein). Dann wird die Liste durchgeackert: brauchen wir das wirklich? Gibt’s das kleiner oder leichter? Kann man es substituieren?

Bei der letzten Reise haben wir folgende Erfahrung gemacht: wichtig ist, dass wir für Notfälle ausgerüstet sind. Eine Erkältung ist kein Notfall, da braucht man keine Salben oder Medikamente. Wenn wir dringend etwas brauchen, dann kann dies bestimmt auch bis zum nächsten Ort warten. Gleich verhaltet es sich mit dem Ersatzmaterial. Wenn die Kette reisst, ist es sicher gut, wenn man diese mit einem Kettenglied wieder flicken kann. Eine Ersatzkette braucht man deswegen nicht.

Und dann die Kleider: die müssen alle in einer (!) grossen Saccoche platz finden. Mit Ausnahme der Regenklamotten und der Schuhe. Es empfiehlt sich, die Kleider in Wasserdichten Kompressionssäcken zu verstauen, sie sind zwar dann nicht mehr knitterfrei, aber platzsparend. Zudem gilt bei den Kleidern das Zwiebelprinzip: also Schichten statt x-unterschiedliche Jacken mitzuschleppen. Dann kommen noch Dinge dazu wie Kochutensilien, Nahrung, Apotheke und Hygieneprodukte, Bücher, Kamera, Elektronikzeugs und all die tausend Ladegeräte die es dafür braucht, Zelt, Schlafsäcke, Matten und noch Kleinkram. Alles zusammen sieht dann so aus:

Auslegeordnung

Anschliessend wurde all das in die Taschen gepackt und gewägt. Pro Velo macht dies rund 30kg, die wir nun zusätzlich den Berg hochstrampeln müssen.

Abfahrbereit
Vorfreude
(n.) the joyful, intense anticipation that comes from imaging future pleasures

Jawohl, wir sind gespannt wie ein Pfeilbogen, welch Abenteuer uns diesmal erwartet. Und die Vorfreude darauf steigert sich, je näher der Tag X rückt.

Oft werden wir gefragt, ob wir denn die Route schon geplant haben, ob wir denn wüssten welche Länder wir bereisen werden. Doch das Planen der Route steht nicht mal so sehr im Vordergrund. Die ergibt sich dann von alleine wenn man dann unterwegs ist.

Unter Planung versteht man viel mehr die eher öde Seite, welche mit der Reise an sich noch nicht viel zu tun hat. Sozusagen das notwendige Übel, damit man überhaupt so eine Reise über ein Jahr antreten kann. Darunter fallen sexy Themen wie zum Beispiel Job, Wohnung, Billag, Internetanschluss, Krankenkasse, Versicherungen, Mitgliedschaften etceteraetcetera künden. Post umleiten, bei der Gemeinde abmelden, dem Steueramt klar machen, dass man nun nicht mehr in der Schweiz wohnhaft sein wird, aber deswegen auch nicht auswandert in ein anderes Land, also sozusagen nur temporär weg ist…und ja, trotzdem MUSS man eine Adresse im Ausland angeben. Das im digitalen Zeitalter, pffft!

Aber zum Glück sind auch diese Sachen alle früher oder später erledigt und es kann endlich losgehen.

Der Asphalt hat uns wieder

Schon bald 4 Jahre ist es her als wir in Alaska mit dem Velo und den schweren Fahrradtaschen gen Süden losgefahren sind. 9 Monate später waren wir um viele Erfahrungen reicher und zehren noch heute von diesen unvergesslichen Eindrücken: http://122grad-west.blogspot.ch

Als wir zurück in die Schweiz flogen wussten wir: es sollte nicht die letzte Reise bleiben. Diesen Frühling treten wir erneut in die Pedalen.
Diesmal starten wir aber in bekannten Gewässer: wir planen eine Europa-Radreise.